Norwegen - Spitzbergen
- Karim

- 10. Sept.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 14. Sept.

Wer in den hohen Norden will, muss zunächst Strecke machen: Von Freiburg bis Kiel sind es rund 850 km. Von dort geht es für uns mit der Stena Line nach Göteborg – eines der weltweit größten Fährunternehmen. Mit 35 Schiffen befördert Stena jährlich über 7 Millionen Passagiere und mehr als 1,6 Millionen Fahrzeuge über die Ostsee.
Unser Schiff ist die Stena Scandinavica. Von außen wirkt sie unauffällig – doch wer an Bord geht, merkt schnell: Diese Fähre spielt in einer ganz anderen Liga als viele der üblichen italienischen oder griechischen Schiffe, die nicht selten mit einem gewissen
abgewohnten Charme daherkommen.
Drei lange Tage fahren wir durch Schweden – rund 2.000 Kilometer durch eine scheinbar endlose Landschaft aus Wäldern, Seen und Flüssen. Sanfte Erhebungen begleiten uns wie in einer Schleife ohne Anfang und Ende.

Immer wieder öffnet Neptun die Schleusen – mal nieselt es, mal schüttet es, und die Temperaturen fallen stellenweise auf sechs bis acht Grad. Echtes nordisches Wetter! So zeigt sich der August in Skandinavien von seiner rauen Seite.
Zum Glück gibt es unterwegs kleine Oasen: Cafés, Tankstellen und Unterkünfte, in denen wir uns aufwärmen können – manchmal mit Kaffee, manchmal mit Gesprächen, manchmal einfach mit einem trockenen Platz.
„Tromsø – die nördlichste Universitätsstadt der Welt und das Tor zur Arktis.“
Der Regen hat uns bis hierher begleitet – und macht auch in Tromsø keine Pause. Mit durchschnittlich 13,9 °C und 82 mm Niederschlag im Monat ist das Wetter hier oben durchaus normal. Nur wir Südlichter hätten uns vielleicht ein wenig mehr Sonne gewünscht.
Wir nehmen es mit nordischer Gelassenheit und brechen frühmorgens zu Fuß zur Eiskathedrale auf. Unser Weg führt uns vorbei am Hafen und über die Tromsøbrua – mit 1.036 Metern Nordeuropas längste Spannbetonbrücke und zugleich ein Wahrzeichen der Stadt.
Am Ende der Brücke, auf der Ostseite, erhebt sich die Arctic Cathedral auf einem eigens aufgeschütteten Erdwall – kühn, weiß und markant gegen den dunklen Himmel.
Spitzbergen - Die letzte Zivilisation vor dem Nordpol
Endlich ist es soweit: Wir stehen am Flughafen von Tromsø – aufgeregt und voller Vorfreude. Unser Ziel liegt weit außerhalb des Gewöhnlichen. Wir fliegen dorthin, wo es weiter nördlich keine festen Straßen mehr gibt, keine Landgrenzen, keine Städte – nur Meer, Gletscher und arktisches Licht.
Longyearbyen, der nördlichste Ort mit Linienflugverbindung, ist für viele der letzte Vorposten der Zivilisation – dahinter beginnt das Reich des Eises.


✈️ Gut zu wissen:
Flüge nach Spitzbergen
Flüge nach Longyearbyen (LYR), dem einzigen Flughafen auf Spitzbergen mit Linienverkehr, lassen sich z. B. über Norwegian oder SAS buchen.
Die Verbindung zwischen Tromsø (TOS) und Longyearbyen wird mehrmals wöchentlich, aber nicht täglich angeboten – je nach Saison kann es zu Änderungen im Flugplan kommen.
💡 Tipp: Am besten frühzeitig buchen – vor allem in der Hauptreisezeit im Sommer sind die Plätze schnell vergriffen. Und: Es lohnt sich, einen Fensterplatz zu sichern – der Anflug über die Gletscher ist spektakulär.

Was hat es mit Spitzbergen eigentlich auf sich?
Spitzbergen wirkt auf den ersten Blick wie ein Außenposten der Menschheit – zu weit nördlich, zu unwirtlich, zu abgehoben für das, was wir gemeinhin Zivilisation nennen. Doch genau das macht diesen Ort so faszinierend.
Die ersten bekannten Siedler auf Spitzbergen waren norwegische und russische Walfänger, die ab dem 17. Jahrhundert die kalten Gewässer rund um die Inselgruppe durchkämmten. Später kamen Abenteurer, Fallensteller, Polarforscher und Kohleminenarbeiter – Menschen auf der Suche nach Rohstoffen, Erkenntnis oder schlicht: dem letzten weißen Fleck auf der Landkarte.
Heute gehört Spitzbergen völkerrechtlich zu Norwegen, steht aber unter einem besonderen internationalen Vertrag: Dem Svalbard-Vertrag von 1920. Dieser erlaubt auch anderen Vertragsstaaten, hier wirtschaftlich tätig zu sein – weshalb man in Barentsburg z. B. noch heute auf russische Spuren trifft.
Warum hält man an dieser Zivilisation am Rand der Arktis fest?
Weil Spitzbergen strategisch, wissenschaftlich und symbolisch von Bedeutung ist:
Als Basis für Klimaforschung und Polarwissenschaft
Als Heimat des weltberühmten Saatgut-Tresors
Und als Mahnung, wie verletzlich – und zugleich beeindruckend widerstandsfähig – der Mensch in extremer Natur sein kann.
Wer tiefer eintauchen möchte in die Geschichte der Region, findet Antworten im Museum von Longyearbyen – kompakt, liebevoll gestaltet und erstaunlich informativ.
"Da stehe ich und blicke hinab auf diese Siedlung am Ende der Welt. Ausgestattet mit seinem eigenen kleinen Straßennetz, Stromversorgung, Internetsatellitenverbindungen, einem Fernwärme- und Energienetz, welches zeigen soll, dass selbst hier eine CO²-neutrale Energieversorgung möglich ist."

Menschen, Wissen, Abenteuer – das Leben in Longyearbyen
Etwa 60 % der rund 2.400 Einwohner:innen von Longyearbyen sind Norweger, der Rest stammt aus über 50 verschiedenen Ländern – ein bunter Mikrokosmos mitten in der Arktis. Die meisten bleiben nur für wenige Jahre, doch wer hier lebt, teilt etwas Besonderes: die Liebe zur Weite, zur Stille und zur Herausforderung.
Beeindruckend ist auch, dass Longyearbyen trotz seiner Lage über eine eigene Universität verfügt – die „University Centre in Svalbard“ (UNIS). Hier forschen Studierende und Wissenschaftler:innen aus aller Welt an Themen wie Klimawandel, Glaziologie, Biologie und Arktis-Geophysik – mitten im natürlichen Labor der Polarnacht.
Wer nicht forscht, findet andere Wege, die Arktis zu erleben: Ob geführte Gletscherwanderungen, Huskytouren im Winter, Kajak-Expeditionen oder Bootsausflüge entlang der Küste – das Leben auf Spitzbergen spielt sich nah an der Natur ab. Und vielleicht ist es genau diese Nähe, die den Ort so unvergleichlich macht.
Wer auf Streifzüge geht, wird früher oder später die Kirche mit ihrer roten Holzfassade entdecken.

Die "Svalbard kirke".
Erbaut 1958, ist sie die nördlichste Kirche der Welt mit regelmäßigem Gemeindeleben. Neben Gottesdiensten finden hier auch Konzerte, Begegnungen und kulturelle Veranstaltungen für die internationale Bevölkerung Spitzbergens statt.
Neben ihr ist ein Denkmal gesetzt worden. Mit einer traurigen Geschichte.

Dieses schlichte, eindrückliche Denkmal erinnert an einen jungen Menschen aus Longyearbyen, der alljährlich in ein Ferienlager reiste – in jenes auf Utøya –, und dort 2011 bei dem Anschlag ums Leben kam. Die stilisierte Silhouette und die schmale Form symbolisieren gleichzeitig Erinnerung und Lücke – in der Gemeinschaft, in den Herzen. Hier oben wird sein Andenken liebe- und würdevoll bewahrt.
Nach diesem stillen Innehalten führt uns unsere Reise weiter – hinaus aufs Meer. Mit der MS Bard, einem innovativen Hybrid-Katamaran, gleiten wir nahezu lautlos durch die Fjorde Spitzbergens. Es ist ein sanfter Übergang: Von der stummen Erinnerung an Land hin zur lebendigen Stille der arktischen Natur – dort, wo Eis, Wasser und Tierwelt ihren eigenen, wortlosen Rhythmus leben.
Früh morgens, wenn die Welt noch ruhig ist... und das ist sie hier, begebe ich mich auf Wanderungen. Die Dämmerung ist bereits um kurz nach vier Uhr und eine halbe Stunde später sind die ersten Sonnenstrahlen zu sehen, die sich über die Bergspitzen ihren Weg bahnen. Hier fühle ich mich verbunden.
Ich komme vorbei an Rentieren, die genüsslich von dem Gras und den Flechten fressen, vorbei an Gletschern, hinweg über Geröll und einsame steinige Hochebenen und alten hölzernen Strommasten, die von vergangenem Expeditionsdrang erzählen.

Am höchsten Punkt über Longyearbyen – ein stiller Wächter aus Stein.
Hier, wo der Wind Geschichten flüstert und das Licht nie ganz vergeht, wartet ein schwarzer Briefkasten auf die Worte derer, die den Weg hierher gefunden haben.
Spitzbergen war für mich das persönliche Highlight dieser Reise.
Ich hätte mir mehr Zeit gewünscht – mehr Raum, um die Stille zu durchwandern, den Horizont zu deuten, den Wind zu verstehen.
Ein Ort, der nicht nur beeindruckt, sondern berührt.
Ein Ort, zu dem ich eines Tages zurückkehren möchte –
um noch tiefer in seine Geschichte, seine Weite und seine Seele einzutauchen.
Wir verlassen Spitzbergen.
Die Eindrücke bleiben – rau, still, eindrucksvoll – und schon bald nähern wir uns den Lofoten, die uns mit ihrem ständigen Wechselspiel aus Sonnenstrahlen, Dauerregen
und Temperaturen zwischen 6 °C und 8 °C auf ihre ganz eigene Weise empfangen.
Was das Wetter betrifft, sollte man sich im Norden Norwegens nicht von allzu sonnigen Bildern täuschen lassen, wie man sie zuvor vielleicht auf Reiseplattformen gesehen hat.
Selbst im August liegt die durchschnittliche Tageshöchsttemperatur bei nur 13,8 °C – und an mindestens 13 Tagen im Monat fällt Regen. Viel ist das nicht, bei insgesamt 31 Tagen.
Wetter ist hier oben also immer auch ein Stück weit Glückssache.

Auf dem Weg Richtung Süden sind Fähren immer wieder ein Mittel der Wahl. Irgendwann überqueren wir schließlich auch den Polarkreis.
Selbstverständlich verpassen wir auch die üblichen Highlights wie die "Atltantic Road", "Trollstigen" und "Geiranger" nicht. Und dennoch, mein geheimer Favorit bleibt die Insel ganz weit im Norden.

Erinnerungen sind alles, was wir mitnehmen können. Lasst uns möglichst viele sammeln.
ENDE.














































































































































Wow, was hab ich mich über diesen Beitrag gefreut. Ein fernes Ziel, dass vielen von uns vollkommen fremd ist.
Und du bringst uns Spitzbergen verdammt fesselnd näher.
Wahnsinnig schön, wie ihr vier das alles erlebt habt.
Danke dafür 🙏🏼 Karim.
WIeder ein bewegender und mitnehmender Reisebericht. Mal eine interessante Alternative zum Bereisen des Nordens. Technisch perfekt umgesetzt, Klasse gemacht.
Muy buena crónica de vuestro viaje, muy ilustrativa e interesante. Te sigo en YouTube y siempre me han gustado tus vídeos, ahora me surge la duda de si crónica o video, no sabría cuál de los 2 formatos me parece mejor en tu caso. Enhorabuena por tu aporte y dejarnos viajar, virtualmente, con vosotros.
Un abrazo desde Vigo.
Wirklich toll gemacht, schöne und eindrucksvolle Fotos und Videos ! 👍😍 P.S. Seit wann ist Kohle CO2 - neutral ? 🤣
Hallo Karim, es muss nicht immer YouTube sein, um sich eine schöne Reise vorzustellen. Deinen Bericht lesen und dabei das Kopfkino einzuschalten, klappt hervorragend. Für 2026 haben wir uns auch Skandinavien vorgenommen. Dein Bericht macht die Sehnsucht eigentlich nur schlimmer und das ist auch gut so. Viele Grüße aus Solingen. Bommel