Ich mag keine großen Städte und halte sie nie lange aus. Es ist mir zu laut und zu hektisch. Landschaften in allen Variationen sei es von Wäldern, Klippen, Wüsten, Gebirgen sind mir hingegen immer willkommen - und doch möchte ich genau deswegen etwas tun, was ich sonst nicht tun würde. Nur so zur Übung und um damit zu beginnen eine neue Sprache zu lernen - und so fasse ich den Entschluss nach Medellín in Kolumbien zu reisen.
So dauert es nicht lange und ich sitze Mitte April am Flughafen und fliege mit der spanischen Airline "Air Europa" von Frankfurt nach Madrid und von dort direkt nach Medellín.
Vom Flughafen aus nehme ich ein reguläres Taxi direkt zu meiner Unterkunft. Das kostet 120.000 Kolumbianische Peso, was 23,30€ entspricht. Für über eine Stunde Taxifahrt und 80km nicht viel. Für Taxis oder Uber innerhalb der Stadt zahle ich im Schnitt 3 bis 4 Euro je Strecke.
Und dies meine Aussicht aus dem 11. Stockwerk auf den Stadtteil El Poblado.
Das erste Wochenende beginne ich gleich mit dem Besuch der Comuna 13. Einst war diese Comuna bettelarm und machte sich einen traurigen Namen aufgrund der unzähligen Gewalt- und Drogenverbrechen. Heute ist es der Stadtteil, der die meisten Angebote an Führungen für Touristen hat. Bekannt ist auch die Rolltreppe, die 2011 von dem amerikanischen Präsidenten Clinton eingeweiht worden ist. Sie ist unterteilt in sechs Abschnitte und insgesamt 348m lang. Aufgrund ihr können sich auch die älteren Bewohner der Comuna gut innerhalb dieser fortbewegen, da in viele Bereiche dieser keine Fahrzeuge fahren können.
Charakteristisch ist die extrem verschachtelte Bauweise mit unzähligen kleinen Gassen und ansehnlichen Graffitis an vielen Wänden, die Teil eines sozialen Projektes sind, um jugendliche von kriminellen Aktivitäten fernzuhalten.
Kriminalität und Kolumbien ist ein leidiges Thema und hat besonders hohe Aufmerksamkeit bekommen durch die Berichte über Pablo Escobar in den Medien von 1980 bis 2002. Unzählige Filme zu Pablo Escobar und auch Serien auf Netflix, die ein Bild aus einer dunkleren Phase des Landes Kolumbiens und der Stadt Medellín aufrechterhalten, tun ihr Übriges. Hinzu kommt, dass man bei der Suche nach Reiseinformationen über Kolumbien und Medellín zwangsläufig auf Kanäle diverser YouTuber trifft mit Millionen Abonnenten, die einen Sport daraus machen, durch diverse Stadtteile mit laufender Kamera zu rennen und dadurch entsprechendes Klientel zu diversen Reaktionen provozieren. Unter den Kommentaren ließt sich dann: "Oh, wenn Kolumbien so gefährlich ist, dann bleibe ich dort lieber weg!".
Nach nun vier Wochen in Medellín und über 380km, die ich durch diese Stadt zu Fuß gegangen bin, durch alle Stadtteile, kann ich sagen, dass es in allen Bereichen, in denen man sich normaler Weise als Tourist aufhält, genau so viel oder wenig "gefährlich" ist, wie in jeder anderen Metropole dieser Welt auch. In sämtlichen Stadtteilen, wo man sich als Tourist aufhält, befindet sich immer wieder sichtbar Polizei und Unmengen von Sicherheitskräften. Ich habe überhaupt noch nie so viele Sicherheitskräfte irgendwo überhaupt gesehen. Die gehören hier zum Standardreportoire eines jeden Supermarktes, mittelgroßer Geschäfte, Wohnanlagen, etc. Die Menschen laufen alle völlig entspannt auf der Straße. Tragen normal ihre Uhren, Schmuck, Handtaschen und spielen mit ihren Smartphones herum. Die Damen führen hier im Stadtteil El Poblado, in dem ich gewohnt habe, Abends alleine ihre Hunde aus. Das würde ich in den Stadtteilen Wedding und Neukölln in Berlin nur machen, wenn ich mindestens drei ausgebildete Schutzhunde hätte. Ich habe mich zu keinem einzigen Zeitpunkt hier bedroht oder bedrängt gefühlt. Ganz im Gegenteil.
Ich hoffe euch mit ein paar Bildern aus Medellín, welches im übrigen hochmodern ist, einen entsprechenden Eindruck von der Stadt vermitteln zu können. Oftmals hat man ein völlig anderes Bild im Kopf und ist dann überrascht, wie es tatsächlich aussieht.
In einer Stadt mit 2,4 Millionen Einwohnern gibt es einiges zu entdecken. Ich habe eine GoogleMaps-Liste mit vielen Sehenswürdigkeiten zur Stadt.
Diese ist hier zu finden: KLICK!
In meinem Blogbeitrag kann ich aufgrund der schieren Menge nicht auf alle Punkte eingehen, die ich besucht habe und stelle euch nur die vor, die mir besonders bis außerordentlich gefallen haben.
Neben viele Sehenswürdigkeiten war für mich die Fahrt mit der Gondel hinauf zu Comuna 8 und weiter zum Park Arvi ein tolles Erlebnis. Besonders wegen der tollen Aussicht, die man hatte.
Wie sind sie denn, die Menschen in Medellín? Für mich waren sie alles andere, als ich eigentlich erwartet hätte. Ich hatte unterschwellig Bilder in meinem Kopf von einem völlig chaotischem Verkehr, Desorganisation in sämtlichen Bereichen des Lebens und einer gewissen Arbeitsphlegmatik. Dafür viel Salsa und pikante Sauce im Alltag.
Herausgekommen ist im Prinzip das Gegenteil. Hier geht man ebenso strukturiert und gezielt seinem Alltag nach. Auf die Minute war hier jeder pünktlich mit dem ich zeitlich verabredet gewesen bin. Nie kam jemand zu spät. - Und doch ist hier niemand in Hektik. Es ist kein Rom und kein New York. Es ist einfach angenehm.
Im Verkehr wird zwar zügig, aber in gleichem Maße rücksichtsvoll agiert. Die Autos sind gut gepflegt (kein Vergleich zu Italien oder Frankreich). Was rote Ampeln betrifft, so halten hier in der Regel 98% aller Autos an. Bei den Kleinmopeds mal mehr, mal weniger. Als Fußgänger geht man im Kollektiv über eine rote Ampel, wenn es die Verkehrssituation zulässt. Wer stehenbleibt ist doof oder Tourist.
Man legt viel Wert auf ein gepflegtes Erscheinungsbild. Die Männer haben einen stets akkuraten Haarschnitt. Hier kommt nie der Gedanke auf: "Wird aber mal Zeit, dass der wieder zum Friseur geht!", denn Friseure sieht man hier wesentlich öfter, als bei uns. Die Männer tragen in der Regel lange Hosen. Kurze Hosen gelten als unschicklich und trägt man eigentlich nur, wenn man zum Sport geht. Die Frauen gehen oftmals zur Maniküre (wenn es der jeweilige Beruf zulässt) und sind von modisch elegant, bis hin zu - für unsere Maßstäbe - aufreizend angezogen und betonen gerne weibliche Merkmale. Zudem möchte ich erwähnen, dass man hier mehr Farbe trägt. Diese blassen und gedeckten Erdfarbtöne, wie sie bei uns viel getragen werden, sieht man hier weniger.
Allgemein ist man hier kommunikationsfreudig. Fast täglich bin ich bei meinen Erkundungen durch die Stadt angesprochen worden. Mal habe ich nur einen Kaffee in der Hand und man will wissen, ob der gut schmeckt, was er kostet und wo ich ihn herhabe. Ein anderes mal, sieht man irgendein Ereignis im Verkehr und dann fängt man eben ein kurzes Gespräch mit dem nächstbesten an, der dort gerade steht. Diese Distanz, die wir in Deutschland oftmals haben, ist in diesem Ausmaß hier nicht vorhanden. Wenn man sich bereits ein klein wenig kennt, kann es vorkommen, dass einem kurz während dem Gespräch eine Hand auf die Schulter gelegt oder kurz der Unterarm berührt wird. Das hat keinerlei weitergehende Bedeutung und ist hier normal. Auch kann es zwischen Mann und Frau hier zu unverfänglichen Komplimenten kommen - auch hier ist erst einmal nicht mehr hineinzuinterpretieren, als eine nette Geste.
Kurzum habe ich die Paisas, wie die Menschen in Medellín gennant werden, als sehr angenehm empfunden während meinem Aufenthalt, was auch starken Einfluß hat, wie ich diese Stadt insgesamt empfunden habe.
Bei meinen Streifzügen gab es eine Sache, die es mir besonders angetan hatte. Und das waren die beeindruckenden Graffitis, die manche Brücken, Gebäude und Gemäuer geschmückt haben, denn es waren nicht einfach irgendwelche Schmierereien, sondern beeindruckende Kunstwerke, wie ich sie in noch keiner Stadt in diesem Ausmaß gesehen habe.
Wie war das Essen? An den Gehsteigen stehen immer wieder kleinste Imbisswägelchen, die Empanadas verkaufen und andere frittierte Teigwaren. Empanadas sind frittierte Teigtaschen in denen sich oftmals Hühnchen mit Käse befindet. Dazu wird, wenn nicht Kaffee, ein sehr süßer Kakao getrunken. Das typische Mittag- oder Abendessen ist eine "Bandeja de Paisa". Auf ihr befindet sich Reis mit Rührei, Erbsen und Paprika. Dazu noch eine gut gewürzte geräucherte Wurst und Bohnen. Eine deftige Mahlzeit.
Und das Nachtleben in der Stadt? Da hat jeder Stadtteil seine eigene "Partyregion". In El Poblado ist das "Lleras Park". Das sind mehrer Straßenzügige, die gesäumt sind von Restaurants, Cafés, Bars, Diskotheken und kleinen Geschäften. Zentral liegt ein Platz mit einem kleinen Park. Wer als Mann alleine unterwegs ist, kann davon ausgehen von "Working Women" angezwitschert zu werden. Diese sind oftmals nicht als solche zu erkennen und beginnen mit einem ein völlig unverfängliches Gespräch. Irgendwann liegen die Karten dann aber auf dem Tisch - Wie so oft im Leben.
Viel mehr kann ich euch dazu aber auch nicht sagen, denn wenn dort so richtig die Post abgeht, liege ich schon längst im Bett und schlafe... und stehe auf, wenn andere erst vom Feiern nach Hause kommen.
Welche Museen sind empfehlenswert? Wer nach Medellín kommt, sollte auf jeden Fall das Botero-Museum gesehen haben neben dem sich auch der Rafael Uribe Palast befindet. Auch das Museum für Moderne Kunst ist sehr sehenswert und hat immer wieder abwechselnde Ausstellungen.
Wie bewege ich mich am besten in der Stadt fort? Müssen längere Streckenabschnitte zurückgelegt werden und man möchte nicht laufen, so würde ich immer Uber empfehlen. Das hat mehrere Vorteile gegenüber einem regulären Taxi.
- Der Preis ist vorher fix und es gibt hinterher keine Überraschungen.
- Bezahlung und Trinkgeld über die App ohne Bargeld möglich.
- Ihr seht schon zuvor, wer euer Fahrer ist (Bewertung, Anzahl von Fahrten).
- Die Strecke ist exakt vorgegeben und ihr könnt diese auf dem Smartphone sehen und auch Abweichungen sofort erkennen.
- Es besteht auch mit Uber ein Unfallschutz über die Allianz.
Was gibt es im unmittelbaren Umland zu sehen? Dort befinden sich zum einen die Cafeteria, das Anbauland für Café, und zum anderen ist Guatape mit seinem Fels nicht weit entfernt (78km).
Was gefällt weniger? In diversen Stadtteilen die (hohe) Anzahl Obdachloser, die auf Gehwegen herumliegen. Es gibt Straßenabschnitte, wo hunderte von denen auf Pappe oder eingewickelt in Verpackunsgmaterial von der Baustelle ihr Dasein fristen. Indigene vierzehnjährige Mütter, die ihr Baby auf dem Gehsteig sitzend säugen und gleichzeitig um Almosen betteln. Straßenabschnitte voll mit Prostituierten, die körperlich völlig ausgemergelt aussehen, dass man nur noch schockiert ist. Es treten hier immer wieder Bilder auf, die man nicht gewohnt ist. (Ich wiederhole aber nochmal: Das sind Bezirke, wo man normalerweise als Tourist nicht unterwegs ist.)
Fazit? Die Stadt Medellín hat einen dicken Stein bei mir am Brett. Es hat seinen Grund warum sie von der Forbes auf Platz 3 der sehenswertesten Städte 2022 gewählt worden ist. Aufgrund des immerwährenden Frühlings, der sich auf diesem Breitengrad befindet, mit tagsüber im Schnitt 22° bis 24° und Nachts nie unter 15°, setzt schon alleine ein körperliches Wohlgefühl ein. Hinzu kommen die gepflegten, abwechslungsreichen Stadtteile, die zum Erkunden einladen, mit ihren guten Cafés und Restaurants. Nicht zu verachten auch die Museen und vielen Parkanlagen, wie auch dem Botanischen Garten. Das alles bekommt durch das angenehm unaufdringliche und stolze Temperament der Paisas, trotz der Größe der Stadt, eine locker beschwingliche Atmosphäre, die sich erst in den nächtlichen Stunden entlädt (wenn ich ohnehin tief und fest schlafe).
Zum Abschluss noch ein paar Stadtszenen in Schwarz-Weiß. Ich sage Buenas Noches und bis zum nächsten Mal!